Trotz Corona-Effekt mehr Tempo beim Klimaschutz nötig

 

Dass Deutschland sein Klimaziel 2020 erreicht hat, ist allein der Corona-Pandemie geschuldet. Mit Pro-Kopf-Emissionen weit über dem globalen Durchschnitt tragen wir in Deutschland noch immer überproportional stark zur Klimakrise bei. Auch mit den aktuellen Klimaschutzzielen leistet Deutschland keinen fairen Beitrag zur Bewältigung der weltweiten Klimakrise, die zunehmend Armut, Hunger und Ungerechtigkeit insbesondere im Globalen Süden verschärft.



 

(Berlin, 16. März 2021) Mehr Tempo beim Klimaschutz und die Anpassung der deutschen Klimaziele an das Pariser Abkommen fordern Nichtregierungsorganisationen anlässlich der heute vom Umweltministerium und Umweltbundesamt vorgestellten Prognose für die deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2020. Zwar zeigen die Daten einen Rückgang der Emissionen, dass Deutschland sein Klimaziel 2020 erreicht hat, ist allerdings der Corona-Pandemie geschuldet.

Jan Kowalzig, Klima-Experte von Oxfam Deutschland, kommentiert: „Machen wir uns nichts vor: Sobald die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder durchstartet, wird auch der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase erneut ansteigen. Trotzdem werden die üblichen Klimaschutz-Saboteure versuchen, mit den neuen Daten gegen ehrgeizigere Ziele und größere Anstrengungen zu argumentieren. Doch davon dürfen sich die politisch Verantwortlichen nicht täuschen lassen. Trotz des Corona-Effekts bei den Emissionen brauchen wir mehr Tempo beim Klimaschutz.“

Er fügt hinzu: „Mit seinem derzeitigen Engagement im Klimaschutz leistet Deutschland nach wie vor keinen fairen Beitrag, um die globale Erwärmung auf die im Pariser Abkommen verankerte Grenze von maximal 1,5°C zu begrenzen und so katastrophale Folgen vor allem für die ärmeren Länder des Globalen Südens noch zu verhindern.“ Und ergänzt: „Letztes Jahr hatte die Bundesregierung einer Erhöhung des europäischen Klimaschutzziels zugestimmt – das erfordert nun auch eine Anhebung der deutschen Ziele. Soll Deutschland fair zum Pariser Abkommen beitragen, müssen die deutschen Emissionen bis 2030 um mindestens 70 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 absinken. Die Bundesregierung sollte die ihr verbleibenden Monate dazu nutzen, eine entsprechende Reform des Klimaschutzgesetztes vorzulegen und weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen.“

Dr. Joachim Fünfgelt, Referent für Energiepolitik bei Brot für die Welt, kommentiert in die gleiche Richtung: „Die Klimabilanz 2020 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Klimapolitik noch weit davon entfernt ist, ihrer Verantwortung für Klimagerechtigkeit nachzukommen. Unsere Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr nur so deutlich gesunken, weil die Wirtschaft im Lockdown heruntergefahren wurde. Es wurden viel zu wenig nachhaltige politische Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise ergriffen. Ohne politisches Gegensteuern müssen wir mit einem Jojo-Effekt rechnen: Sobald die Corona-Pandemie vorbei ist, werden die Emissionen wieder steigen.

Mit Pro-Kopf-Emissionen weit über dem globalen Durchschnitt tragen wir in Deutschland noch immer überproportional stark zur Klimakrise bei. Auch mit den aktuellen Klimaschutzzielen leistet Deutschland keinen fairen Beitrag zur Bewältigung der weltweiten Klimakrise, die zunehmend Armut, Hunger und Ungerechtigkeit insbesondere im Globalen Süden verschärft. Deshalb steht die Bundesregierung in der Verantwortung, deutlich mehr zur Eindämmung der Klimakrise beizutragen, um die Globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu gehört noch vor der Bundestagswahl das nationale Minderungsziel für das Jahr 2030 von 55 Prozent auf mindestens 70 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu erhöhen.“

Hintergrund:

Das Umweltbundesamt hat heute, am 16. März 2021, die deutsche Klimabilanz für 2020 veröffentlicht. Die Treibhausgasemissionen sind in Deutschland vor allem infolge eines Einmaleffekts durch die Corona-Pandemie zurückgegangen.

Zur Veröffentlichung der Klimabilanz 2020 haben heute mehr als 80 Organisationen aus den Bereichen Entwicklung, Kirche, Umwelt, Jugend und Soziales, darunter Brot für die Welt und Oxfam, einen gemeinsamen Appell an die Bundesregierung gesendet mit der Aufforderung, die Klimaziele in Deutschland anzuheben und wirksamere Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Im gemeinsamen Appell fordern die Organisationen eine Reform des Klimaschutzgesetzes noch vor der Sommerpause. Hierzu muss Bundesministerin Schulze zeitnah einen Vorschlag unterbreiten:

  • Das Klimaschutzgesetz und das deutsche Klimaziel für 2030 müssen an das neue EUKlimaziel angepasst werden. Für Deutschland ergibt sich daraus ein Ziel von mindestens 70 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 gegenüber 1990.
  • Die sektoralen Emissionsreduktionsziele im Gesetz für die Bereiche Energie, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Gebäude müssen an das neue Klimaschutzziel angepasst werden.
  • Die Emissionsreduktionen dürfen zwischen den Sektoren nicht aufgerechnet werden.
  • Die Emissionsreduktionen müssen in Deutschland erfolgen. Der Ankauf von Emissionszertifikaten aus dem Ausland für diesen Zweck muss ausgeschlossen werden.
  • Die Aufgaben des Expert*innenrats für Klimaschutzfragen müssen erweitert werden. Die Prüfung der Vorjahresemissionen muss einschließen, dass die Gründe für das Einhalten oder Verfehlen der Emissionsziele (wie zum Beispiel die gegenwärtige Einhaltung der Ziele wegen der Corona-Pandemie) erfasst werden. Ferner sollten auch Projektionen einbezogen werden, die die Wirkung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in den Folgejahren bewerten, um zu beurteilen, ob sich Deutschland auf einem guten Weg befindet, auch die mittel- und langfristigen Klimaschutzziele einzuhalten.
  • Eine Übertragung von Emissionseinsparungen auf Folgejahre, wie sie jetzt durch die Corona-Pandemie ohne zusätzliche Klimaschutzanstrengungen erfolgt sind, darf nicht möglich sein.
Jan Kowalzig ist Referent für Klimawandel & Klimapolitik bei oxfam Deutschland.
Joachim Fünfgelt ist Referent für Energiepolitik bei Brot für die Welt.
Der gemeinsame Appell der 80 Organisationen an die Bundesregierung steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.