„War on terror“ – nun auf türkisch

 

Es passiert eben doch mehr, als in die Zeitung passt. Die westliche Welt starrt auf Kabul. Es lohnt den Blick, gen Türkei zu richten. Die Türkei hat in den letzten Jahren Dreierlei erreicht:

  1. Sie ist in der Drohnen-Herstellung und -Bewaffnung in die Führungsklasse aufgestiegen.
  2. Sie hat die Kurden als Terroristen eingestuft, inklusive denen auf dem Staatsgebiet des Iraks und Syriens.
  3. Sie hat sich dazu in einen Konflikt mit den USA begeben, welche die Kurden im Norden Syriens als ihre „Ortskräfte“ im Kampf gegen den IS benutzt hatten – und haben sich in diesem Konflikt, unter Präsident Trump, durchgesetzt.

Nun neigt sich der Stern der USA auch im Irak – der Abnützungskampf der vom Iran unterstützten Milizen zeitigt auch dort Wirkung; es gewinnt eben gegen die USA, wer den längeren Atem hat sowie die Disziplin, den Dauer-Konflikt nicht zu eskalieren, nur Nadelstiche setzt, die so gering sind, dass sie es nicht in die „Zeitungen“ in den USA schaffen, also in diesem Sinne nicht stattfinden.

Nun imitiert die Türkei den US-Drohneneinsatz in ihrem eigenen „war on terror“. Am 16. August 2021 tötete in Sinjar eine Drohne der türkischen Streitkräfte den Jaziden-Führer Hassan Saeed. An diesem Tag sollte der den Irakischen Primierminister Mustafa Khadimi treffen, der auf Besuchsreise in der Jesiden-Region war.

Wir erinnern uns: Im August 2014 startete der Islamische Staat seinen Angriff auf Sinjar, tötete dabei Tausende von Jeziden, einer religiösen Minderheit mit Wurzeln im Nordirak, der südöstlichen Türkei und dem Iran. Von dort aus startete ISIS im Februar 2015 seinen mörderischen Angriff auf das nordöstliche Gebiet Syriens.

Die USA stufte das Gemetzel als Völkermord ein und investierte erheblich an Ressources, um den bedrohten Gemeinschaften zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Die gegenwärtige Offensive der Türkei im Irak und in Syrien macht das alles wieder zunichte.

Der nun getötete Hassan floh 2014 nicht sondern nahm teil am Abwehrkampf der Jesiden am Berg Sinjar. Später baute er die Sinjar Resistance Units (YBS) mit auf, eine regionale Miliz, gegründet um Sinjar nach der Erfahrung des Völkermords verteidigen zu können. Die Türkei sieht in der YBS einen verlängerten Arm der Kurdistan Workers Party (PKK). Die PKK ist nicht allein von der Türkei als terroristisch eingestuft, auch die USA und die Europäische Union haben das getan Die YBS aber wurde aufgestellt um gegen den IS zu kämpfen.

Die YBS ist inzwischen Teil der Tribal Mobilization Forces des Irak, welche einen Zweig der Popular Mobilization Forces darstellen. Als solche sind sie integriert in die Streitkräfte des Irak. Die YBS-Angehörigen werden von Bagdad bezahlt. Hassan war Kommandant des 80. Regiments.

Die gezielte Tötung am 16. August 2021 war die bislang höchstrangige eines Bürgers des Irak auf dem Territorium des Irak. Damit nicht genug: Am nächsten Tag zerstörte ein türkischer Luftschlag ein Krankenhaus in Sinjar, acht Personen wurden getötet – auch das ist ein bekanntes Muster, die russische Vorgehensweise in Syrien ist das Vorbild.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.