Donald Trump, sein Regieren und die Rolle einer „alternativen“ Wissenschaft
Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann
An Donald Trumps Machtübernahme in den USA kann man einiges darüber lernen, was Macht ist und wie Wissenschaft zur Machtausübung nicht allein dienlich sondern auch erforderlich ist – bei einem Machtwechsel dann eine gewechselte Art der Wissenschaft. Die Medien decken diesen strukturellen Aspekt wenig ab. Sie meinen, ihre Leser oder Rezipienten seien vor allem über Analysen mit human touch zu erreichen. Daher ihre Tendenz, Macht in einzelne Personen zu projizieren. Da ist natürlich etwas Wahres dran, doch diese Projektion zeigt nur einen Teil der Wahrheit.
Selbst wenn Personen eine zentrale Machtposition innehaben, wie beispielsweise Herr Trump in den USA, so braucht es immer noch Konzepte dafür, diese persönliche Macht auch in Macht gegenüber Dritten umzusetzen. Die Antwort, die jüngst wieder bei der Machtübernahme in Dowing Street No 10 in London durch Boris Johnson medial als einleuchtend wiedergegeben wurde, war: Besetzung aller Kabinetts-Posten mit Ministern gleichen Geistes. Auch das aber ist nicht die Antwort, denn damit liegt die offene Frage lediglich bei anderen wenigen Personen, den Ministern. Warum die Güte der Machtausübung durch einen Minister, hier für Verteidigung z.B., mit einem Glaubenssatz zur richtigen Art des Brexit einhergehen sollte, ist kaum erkennbar. Gleicher Geist im Abstrakten, der eigentlich ja nur die Gleichheit in einem Widerspruch, in einer Ablehnung, ist, sagt noch wenig aus über einen gleichen Geist im Gestalten von Politik, im Positiven. … wenn es denn bei Politik um Gestaltung geht, nicht nur, wie bei Nero und anderen, um Abriss.
Geht es um Gestaltung, so braucht es neben ‚gutem’ Willen auch Können. Machtausübung ist Aufprägung eines Willens auf Dritte. Wirkliche Machtausübung gegenüber Millionen von Menschen ist etwas Hochabstraktes, erfordert höchste Kunstfertigkeit. Das gilt in besonders ausgeprägter Weise in einem Rechtsstaat neuzeitlicher Couleur, der sich von autokratischen Herrschaftssystemen bekanntlich durch eine Bindung auch des höchsten Machtträgers an das Recht auszeichnet – der „absolute“ Herrscher wurde abgeschafft.
Im Beispiel von Herrn Trump formuliert: Der wäre zum Kompromiss gezwungen, wenn er, gemäß dem Sinne der US-Verfassung, mit der Legislative in den USA herrschen wollte. Trump entledigt sich dessen durch das Ausweichen in das Herrschen qua „Executive Order“ – was allerdings in der US-Regierungspraxis so neu nicht ist – auch Präsident Obama hat sich dessen weitgehend bedient, nachdem er mit seiner Wiederwahl zur zweiten Amtszeit die Mehrheit in beiden Kammern verloren hatte. Das erscheint formal wie eine Annäherung an den Absolutismus – was angesichts des Rechtssystems in den USA nicht wirklich stimmt. Folge ist: Alle herrschaftliche Anweisung ist lediglich als Interpretation bestehender Mandate, bestehender Gesetze, möglich; die dehnt Herr Trump, das erst ist seine Besonderheit, durch abenteuerliche um nicht zu sagen „an den Haaren herbeigezogene“ Interpretationen des Wortlauts der gesetzlichen Mandate, insbesondere des Sicherheitsbegriffs darin. Es kann deshalb fast nicht anders sein, dass folglich alles vor Gericht landet. Ergebnis ist faktisch Umbestimmtheit. Vieles wird aufgegriffen um es neu zu regulieren, faktisch ist alles unentschieden
Was vor Gericht keinen Bestand hat, ist für den Papierkorb – zumindest eines späteren Tages. Geht es wirklich um Gestaltung, ist das wirklich das Ziel, von Herrn Trump, müssen Gestaltungen via „Executive Order“ nachhaltig sein. Damit sie das können, müssen sie präzise rechtlich kalkuliert sein. Und zwar nicht dem Sinne nach sondern rechtlich-taktisch. Es geht auch da um Machttechnik. Zur Machttechnik gehört, Gerichte an die Grenzen ihrer Urteilsfähigkeit zu führen. Auf Basis der ja leider zutreffenden Kennzeichnung „judex non calculat“ ist das Verfahren quantitativer Nebelkerzen-Werferei recht erfolgversprechend. Für die Produktion solchen Nebels braucht es eine „alternative“ Wissenschaft. Was das in einem Beispiel, der Revision der Regulierungd er Energieeffizienz-Eigenschaften von PKW, bedeutet, ist in dieser Kolumne dargestellt.
Dafür bietet es sich an, zu
delegieren. Da kommen alternative Machttechniker ins Spiel, meist im jeweiligen
Metier erfahrene Juristen. Wo findet man die, also in der Sache firme Personen,
die aber bislang nicht im Regierungsapparat sitzen? Das reichste Potential
findet sich unter den Mitarbeitern von Lobby-Gruppen, die aufgrund ihrer
jahrzehntelangen Beobachtung bestens informiert sind, wo strukturelle
Stellschrauben liegen. Sie wissen, wovon sie reden, der Machtinhaber erster
Hand weiß das hingegen nicht.