Wie und wann fiel die Entscheidung des Westens, den Krieg in der Ukraine in Kauf zu nehmen?

 

Präsident Selenskyi hatte sich nach Amtsantritt im Mai 2019 im Normandie-Format intensiv bemüht, zu einem Ausgleich mit Russland zu kommen, indem er schließlich sämtliche Verhandlungspositionen, die Russland in diesem Format eingenommen hatte, als die seinen übernahm. Im Verlauf des Jahres 2020 hatte Russland klar gemacht, dass es die Ukraine als Verhandlungspartner nicht akzeptiere. Es hat dann im zweiten Halbjahr 2021 zwei Spitzentreffen zwischen Biden und Putin gegeben; hier muss die Entscheidung gefallen sein, einen Krieg in Kauf zu nehmen.

Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann

Der Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine hat eine Flut an Eindrücken im Rückblick ausgelöst. Aufgrund eines Rundfunk-Gesprächs mit dem ehemaligen SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi ist mir die Frage gekommen: Wann war es, dass die USA entschieden haben, diesen Krieg „zuzulassen“. Und wie haben sie diese ihre Entscheidung mit ihren Allianzpartnern, den Europäern, abgestimmt?

Die Formel des „Zulassens“ ist missdeutbar, deswegen die Erläuterung: In aller Regel versucht der Angreifer, das von ihm Intendierte erst einmal durch Verhandlungen mit dem Gegner zu erreichen. In diesem Fall lag die Verhandlungsführung auf westlicher Seite bei den USA. Es hat im zweiten Halbjahr 2021 zwei Spitzentreffen gegeben zwischen Biden und Putin. Darin muss die Entscheidung des „Zulassens“ beziehungsweise „In-Kauf-Nehmens“ gefallen sein.

Russland hat im Verlauf des Jahres 2021 den diplomatisch wohlbekannten Weg der sogenannten „coercive diplomacy“ beschritten – den habe ich hier am Beispielsfall der USA vor dem Zweiten Irak-Krieg beschrieben. Vorher, im Verlauf des Jahres 2020, hatte Russland klar gemacht, dass es die Ukraine als Verhandlungspartner für sein Anliegen nicht akzeptiere. Präsident Selenskyi hatte sich nach Amtsantritt im Mai 2019 im Normandie-Format intensiv bemüht, zu einem Ausgleich mit Russland zu kommen, indem er schließlich sämtliche Verhandlungspositionen, die Russland in diesem Format eingenommen hatte, als die seinen übernahm. Das höchst bemerkenswerte Ergebnis dieser Selbstentäußerung war, dass Präsident Putin es nicht nahm. Damit war allen Teilnehmern dieses Formats klar: Putin will den Ausgleich allein mit den USA erreichen. Diesem Ziel diente der Truppenaufmarsch seit Spätfrühjahr 2021 als Druckmittel. Das Normandie-Format hatte ausgedient.

Vertretung der Interessen Europas vor den Verhandlungen Biden-Putin

Was bedeutete dieses Ergebnis für die westlichen Teilnehmer dieses Formats, also für Deutschland und Frankreich? Von Dohnanyi hat es auf die Formel gebracht: Über Europas Sicherheit, über Krieg und Frieden, wurde und wird in Washington allein entschieden.

Für die Spitzenmächte der Europäer, Deutschland und Frankreich, musste klar sein: Wenn sie Einfluss auf die Frage nach Krieg oder Frieden vor ihrer Haustür in Europa nehmen wollen, so müssen sie in Washington vor den Gesprächen des US-Präsidenten mit seinem russischen Gegenüber informiert werden, eigene Vorstellungen haben und die in Washington zu Gehör bringen. Die beiden entscheidenden Gespräche fanden statt

  • am 16. Juni 2021 persönlich in Genf;
  • am 7. Dezember 2021 per Video-Schalte.

In Deutschland regierte damals noch Bundeskanzlerin Merkel mit ihrem schwachen Außenminister Heiko Maas von der SPD. Am 7. Dezember 2021 war Amtsübergabe an die Ampel-Regierung, in Vorfeld dieses Gesprächstermins hätte sich die nur noch geschäftsführende Bundeskanzlerin um diese wichtige Angelegenheit kümmern müssen, in Absprache mit dem kommenden Bundeskanzler.

Geschehen scheint das nicht zu sein, weder im Vorfeld des 16. Juni 2021 noch im Vorfeld des 7. Dezember 2021. Wissen kann man das natürlich erst in 30 Jahren, wenn die Akten des Auswärtigen Amtes darüber präzise Auskunft geben. Wichtiges Indiz dafür, dass die Europäer, vertreten durch das Normandie-Format Frankreich und Deutschland, sich nicht im zweiten Halbjahr 2021 an Washington in dieser zentralen Frage ihrer Sicherheit, zur Kriegsverhütung, gewandt haben, ist die voluminöse Zusammenstellung der Washington Post zur Vorgeschichte des Kriegsausbruchs unter dem Titel „The Road to War. Das ist zwar eine stark von Washingtoner Insider-Quellen dominierte Darstellung, doch die Lücke an dieser Stelle ist offenkundig. Also dürfte sie auch real sein.

Abgestellt wird im Bericht der Washington Post allein auf Informationen der US-Geheimdienste über den Truppenaufbau Russlands und die transatlantischen Differenzen dazu, wie das zu interpretieren sein. Die Linie der US-seitigen Erzählung ist, dass die USA dazu freigiebig Informationen gegeben hätten, so Biden selbst am Rande des G20-Gipfels Ende Oktober in Rom; und dann durch die US-Geheimdienst (DNI)-Chefin Avril Haines bei einem NATO-Treffen.

Die Reaktion der Europäer sei durchgängig gewesen, dass sie die US-Informationen nicht für bare Münze nahmen, sie nicht als Anzeichen eines von Putin beabsichtigten Krieges gelesen hätten, ganz im Gegensatz zu dem Verständnis der USA und UK – das Misstrauen aufgrund des Irak-Desasters gegenüber den nicht voll offenbarten US-Informationen sei immer noch virulent gewesen.

Hinsichtlich des Gesprächs innerhalb der Allianz, insbesondere Deutschlands und Frankreichs mit den USA, wird in Kap. VI des Berichts der Washington Post lediglich berichtet:

Macron and Merkel had been dealing with Putin for years and found it hard to believe he was so irrational as to launch a calamitous war. In the weeks after Biden’s Geneva meeting, they had tried to arrange an E.U.-Russia summit, only to be shot down by skeptical members of the bloc who saw it as a dangerous concession to Russia’s aggressive posture.”

Das heißt die Europäer des Normandie-Formats hatten noch versucht, selbst einen Verhandlungsdraht zu Russland aufzubauen – doch das scheiterte an der Gespaltenheit der Europäer gemäß der bekannten Frontlinie zwischen den Falken und den Gesprächsbereiten unter den Staaten der EU.

Months later, despite the new U.S. intelligence, the French and Germans insisted there was a chance for diplomacy. The Americans and the British had little hope that any diplomatic effort would pay off, but were prepared to keep the door openif the Europeans gave something in return.”

Das heißt die US-Position war: Sicherheitspolitisch wird nicht verhandelt. Wenn Ihr Europäer auf anderen Feldern etwas geben wollt: Versucht es, ob Ihr Putin damit vom Kriegspfad abhalten könnt. Unter dieser Bedingung verhandeln wir treu in Eurem Interesse:

““A big part of our focus,” recalled Sullivan, “was basically to say to them, ‘Look, we’ll take the diplomatic track and treat it [as] serious … if you will take the planning for [military] force posture and sanctions seriously.’ ”

Each side was convinced it was right but was willing to proceed as if it might be wrong.

Over the next several months, the Americans strove to show the Western Europeans and others that they were still willing to search for a peaceful resolution, even though in the back of their minds, they were convinced that any Russian efforts at negotiation were a charade. “It basically worked,” Sullivan said of the administration strategy.”

So kam es schließlich, anscheinend ohne jede Vorab-Abstimmung mit den Europäern, zum entscheidenden Gespräch über den Krieg zwischen den Präsidenten Biden und Putin am 7. Dezember 2021. Nüchtern wird berichtet, wie die USA das zentrale Thema, bei dem Russland Entgegenkommen des Westens einforderte, vom Verhandlungstisch verbannte – die USA liegen jenseits des Atlantiks:

“On Dec. 7, Putin and Biden spoke on a video call. Putin claimed that the eastward expansion of the Western alliance was a major factor in his decision to send troops to Ukraine’s border. Russia was simply protecting its own interests and territorial integrity, he argued.

Biden responded that Ukraine was unlikely to join NATO any time soon, and that the United States and Russia could come to agreements on other concerns Russia had about the placement of U.S. weapons systems in Europe. In theory, there was room to compromise.

For a while, as Blinken headed the U.S. diplomatic effort with repeated visits to NATO capitals and alliance headquarters in Brussels, the Ukrainians continued their contacts with European governments that still seemed far less convinced of Putin’s intentions than the Americans were.

Das aber war nur noch die Verwaltung des Dramas – die Würfel waren bereits gefallen.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.

Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>