„Altwerden ist gerade noch erlaubt, aber man sieht es nicht gerne.“ (Dieter Hildebrandt) 9. August 2020
Zu meinem 66igsten Lebensjahr erreichte mich ein Glückwunsch per Email. Im Betreff hieß es: Ein Hoch auf das Alter. Im Text ging es folgendermaßen weiter:
„Lassen Sie uns das Alter feiern.
Sehr geehrte Frau Dr. Gaertner-Schultz,
wir wünschen Ihnen alles Gute zum Geburtstag. Ein neues Lebensjahr wartet bereits darauf, mit Erinnerungen und Geschichten gefüllt zu werden. Denn ein Jahr älter heißt auch ein Jahr reicher an Erfahrungen. Dafür haben wir fünf Ziele herausgesucht, die das Alter von der schönsten Seite zeigen.“
Empfohlen wurden unter anderem die älteste Stadt, das älteste Weingut und als Alters-Fun-Fact, eine 300 Jahre alte Straße Deutschland, die nur 31 cm breit ist.
Okay, als offensichtlich alte Dame darf ich mir jetzt das Wörterbuch holen, um zu wissen was Alters-Fun-Fact ist. Nun ich fand nur Fun-Fact erklärt auf www.bedeutungonline.de/was-bedeutet-fun-fact-auf-deutsch ..“.Als „Fun Facts“ wird unnützes Faktenwissen bezeichnet, dass in Gesprächen beeindrucken und unterhalten kann, aber im Alltag keine Anwendung findet oder für den Alltag relevant ist.“
Unnützes Faktenwissen für alte Leute mit dem ich aber angeben kann – Danke Bahn!
Meine Familie sang mir zum Geburtstag das Ständchen: „Mit 66 Jahre da hat man Spaß daran, mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss.“ Wie unterschiedlich doch die Alterseinschätzungen sind. Ein Hoch auf das Alter oder es geht jetzt erst richtig los.
Ein Gespräch mit Menschen um die 60 Jahre zeigt, wie unterschiedlich die Alterswahrnehmungen von anderen einem selbst gegenüber sind und wie das innere Erleben des kalendarisch Alten ist. Alle Gesprächspartnerinnen fühlten sich deutlich jünger, lebendiger und noch gar nicht alt.
Da das Alter und die Altersbilder in der Gesellschaft nicht positiv besetzt sind, kratzt der Text der Deutschen Bahn: “Ein Hoch auf das Alter“ schon an meinem Ego.
Die Überschrift im Text macht es auch nicht besser: „Lassen Sie uns das Alter feiern“, das hört sich an, wie die Pflegekraft, die es wohl früher gegeben haben muss, und die ins Zimmer kommt und fragt: „Wie geht es und denn heute“. Wer von der Bahn kommt denn vorbei und bereist mit mir die Altersstätten?
Vielen Dank Deutsche Bahn für den Glückwunsch – bitte behalte ihn!
