Abschlussbericht der Fachkommission Fluchtursachen markiert Handlungsbedarf und konkrete Aufgaben wie faire Handelsbeziehungen und restriktive Rüstungsexporte

 

Der am 18. Mai 2021 an die Bundesregierung übergebene Abschlussbericht der Kommission Fluchtursachen ist nsch Ansicht von Menschenrechtlern Blaupause für ein umfassendes Programm, Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen. Zwar komme Kritik am Ressourcenverbrauch und damit dem eigenen Wirtschafts- und Lebensstil zu kurz. Dennoch sei der Bericht grundsätzlich positiv zu würdigen: Er stelle konkrete politische Forderungen, die die künftige Bundesregierung in konkrete Politik umsetzen müsse, wie Bleibeperspektiven für potenzielle Migrantinnen und Migranten durch bessere Förderung und gute Regierungsführung in deren Heimatländern, zugleich mehr und besser planbare Kontingente für die humanitäre Aufnahme in Europa sowie mehr geordnete legale Wege in die EU.



 

(Erfurt/Aachen, 18. und 19. Mai 2021) Die Initiative „Enquete Fluchtursachen“, auf die die Einsetzung der „Fachkommission Fluchtursachen“ der Bundesregierung am 3. Juli 2019 durch Kabinettbeschluss zurückgeht, sieht in dem am Dienstag, den 18. Mai 2021 an die Bundesregierung übergebenen Abschlussbericht der Kommission die Blaupause für ein umfassendes Programm, Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen.

Die 150 Trägerinnen und Träger des Bundesverdienstkreuzes, die hinter der Initiative stehen, hatten 2017 verlangt, eine Enquete-Kommission einzusetzen, die untersuchen soll, wie Deutschland weltweit zu Fluchtursachen beiträgt, um Maßnahmen sowie gesetzliche Initiativen vorzuschlagen, wie dies vermieden oder dem entgegengewirkt werden kann. Den Ressourcenverbrauch und damit den eigenen Wirtschafts- und Lebensstil zu hinterfragen, kommt nach Ansicht der Initiatoren in dem jetzt erstellten Bericht der Fachkommission zu kurz. Dennoch sei der Bericht grundsätzlich positiv zu würdigen. Er sei eine maßgebliche Vorlage für die Bekämpfung von Fluchtursachen und unterstreiche damit die Verantwortung der Bundesrepublik.

So mahne der Bericht stärker ressortabgestimmte Strategien der deutschen Politik an, um Ursachen von Flucht und Vertreibung zu verringern. „Der Bericht markiert Handlungsbedarf und konkrete Aufgaben wie faire Handelbeziehungen und restriktive Rüstungsexporte“, so Klaus Töpfer. Betont werde auch die Verantwortung für die globalen Folgen der wesentlich von den Ländern des Nordens verursachten Erderwärmung. „Das zeigt der Vorschlag, dass gleichzeitig mit den die Klimaschutzinvestitionen in Deutschland, die Länder des Südens mit einem deutlichen und verlässlichen Anteil bei ihrer Klimawende zu unterstützen sind.“

„Der Bericht lenkt die Aufmerksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit stärker auf die Basisausstattungen, um Fluchtursachen zu vermeiden“, so Angelika Zahrnt. Dies gelte für soziale Sicherungssysteme, Gesundheitsstrukturen und die Bildung. Zudem werde mehr politisches Engagement für Binnenvertriebene verlangt. „Auch die Forderung, Aufnahmeländer in Krisenregionen über humanitäre Hilfe hinausgehend zu unterstützen und fünf-Jahres-Perspektiven zu schaffen, ist im Blick auf Länder wie den Sudan, Libanon oder Bangladesch dringend.“

Neue Wege geht der Bericht mit der Empfehlung, Deutschland soll eine Allianz für Resettlement auf den Weg bringen und sich zur Aufnahme von jährlich 40.000 Flüchtlingen verpflichten. „Der Bericht nimmt mit der Forderung nach sicheren Fluchtwegen und humanitären Visa die tatsächliche und prekäre Situation von Flüchtlingen in den Blick“, so Ralf-Uwe Beck. Dazu gehöre auch, dass der Bericht den Finger in die Wunde der Menschenrechtsverletzungen beispielsweise an den EU-Außengrenzen lege. „Hier werden akute Notlagen signalisiert. Deutschland muss, auch gegenüber der EU und anderen Mitgliedstaaten, auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen.“

Der vorgeschlagene ‚Rat für Frieden, Sicherheit und Entwicklung’ könne der Bekämpfung von Fluchtursachen eine konsequentere Perspektive geben, ebenso die Forderung nach einer langfristigen finanziellen Absicherung. Nicht zuletzt betone der Bericht wie wichtig es sei, auf die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu setzen, sowohl in Deutschland wie auch in den Herkunfts- und Partnerländern.

Die Initiative für eine Enquete-Kommission Fluchtursachen ist 2017 gestartet. 150 Bundesverdienstkreuzträgerinnen und -träger hatten einen Aufruf unterzeichnet, mit dem eine Enquete-Kommission Fluchtursachen gefordert wurde. Daraufhin wurde eine „Kommission Fluchtursachen im Deutschen Bundestag“ 2018 in den Koalitionsvertrag aufgenommen.

Initiiert haben die Aktion der Bürgerrechtler Ralf-Uwe Beck, der ehemalige Bundes-umweltminister und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), Klaus Töpfer, sowie die Ehrenvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Angelika Zahrnt.

MISEREOR begrüßt klare Forderungen der Fachkommission Fluchtursachen

Zur Veröffentlichung des Berichts der Experten-Kommission Fluchtursachen, der der Bundesregierung Impulse für eine zukunftsfähige Einwanderungs- und Migrationspolitik geben soll, äußert sich für MISEREOR dessen Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel:

„Die Arbeit der Kommission ist ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der Debatte um Einwanderung und Flucht und lenkt den Blick über Europa hinaus auf strukturelle Gründe für Migration. Dabei betonen die Expertinnen und Experten einerseits unsere eigene Verantwortung, etwa über unser Wirtschafts- und Wachstumsmodell, über Landwirtschaftspolitik und Rüstungsexporte. Andererseits werden politische Forderungen gestellt, die die künftige Bundesregierung in konkrete Politik umsetzen muss: Bleibeperspektiven für potenzielle Migrantinnen und Migranten durch bessere Förderung und gute Regierungsführung in deren Heimatländern, zugleich mehr und besser planbare Kontingente für die humanitäre Aufnahme in Europa sowie mehr geordnete legale Wege in die EU.

Der Bericht zeigt, dass es zu wenig ist, den Blick nur auf die Lage in Europa und an dessen direkten Außengrenzen zu richten. Es geht ebenso um die Perspektiven für Menschen, die in ihren Heimatländern bleiben wollen oder dazu gezwungen sind. Gerade die Vertriebenen im eigenen Land benötigen mehr Solidarität, sie bilden die größte Gruppe Zwangsvertriebener weltweit und bekommen häufig am wenigsten Unterstützung von außen.

Vor Ort muss die kommende Bundesregierung mehr für Krisen-Prävention tun und strukturelle Gründe von Migration wie den Klimawandel sowohl in Deutschland als auch weltweit angehen. Die Kommission hat dafür gute praktische Ansätze entworfen. Jetzt müssen Deutschland und die EU den festen politischen Willen aufbringen, Migration nicht nur mit Zäunen und der Grenzschutzagentur Frontex zu begegnen, sondern im Sinne der Fluchtursachen-Kommission die vielfältigen Herausforderungen mit einem ganzheitlichen Konzept weit über Europas Grenzen hinaus anzupacken.“

Ralf-Uwe Beck ist einer der Initiatoren der Initiative Enquete Fluchtursachen.
Pirmin Spiegel ist Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerkes MISEREOR.
Eine Lang- und eine Kurzfassung des Berichtes der Fachkommission Fluctursachen stehen über diesen Link zum Download als PDF bereit.