Frieden: Atomwaffen

Stellungnahme der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) zur Debatte um den Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg: Kuba-Krise in Zeitlupe?
In der Kuba-Krise 1962 konnte die nukleare Katastrophe durch eine Kombination von öffentlich kommunizierter Standfestigkeit auf der einen Seite, der Nutzung persönlicher Gesprächskanäle bei gleichzeitig signalisierter Verhandlungsbereitschaft der Parteien auf der anderen abgewendet werden. Unter dieser Perspektive ergeben sich mehrere Anforderungen an einen verantwortbaren Umgang mit der gegenwärtigen Konfrontation: etwa der Aufbau und die Intensivierung einer direkten Krisenkommunikation zwischen den Atomwaffenstaaten, insbesondere zwischen Russland, den USA und der NATO, um die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes auszuschließen, oder das entschiedene Hinwirken auf eine rasche Beendigung der Kriegshandlungen durch Russland – hierzu kommt den USA eine besondere Rolle und Verantwortung zu, da Russland auf Augenhöhe mit den USA wahrgenommen werden will. Die Ukraine ist bei allen Schritten einzubinden.
Russland verhindert Konsens auf Atomwaffenkonferenz
Die Atomwaffenstaaten modernisieren in den letzten Jahren ihre Arsenale und bauen sie aus, Staatenführer sprechen nukleare Drohungen aus und Konflikte zwischen nuklear bewaffneten Staaten nehmen zu: Das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes ist so hoch wie lange nicht. Bei der 10. UN-Überprüfungskonferenz des nuklearen Nichtverbreitungsvertrags konnte nach vierwöchigen Verhandlungen in New York Ende August 2022 kein gemeinsames Abschlussdokument verabschiedet werden. Stattdessen sah sich die Konferenz mit einer neuen Konfliktdimension konfrontiert, die letztlich zum Scheitern der Verhandlungen führte: der Militarisierung eines Nuklearkraftwerks.
Abschluss der IPPNW/ICAN-Aktionswoche gegen Atomwaffen
Anfang Juli 2022 haben rund 100 Aktivist*innen von IPPNW und ICAN am US-Atomwaffenstandort im rheinland-pfälzischen Büchel gegen die geplante nukleare Aufrüstung und für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland demonstriert. Die bisher in Büchel stationierten Atomwaffen sollen bis 2026 durch neue, modernere B61-12 Atombomben ersetzt werden, die lenkbar sind und eine regulierbare Sprengkraft besitzen. Um sie im Rahmen der nuklearen Teilhabe Deutschlands einsetzen zu können, werden neue F35-Kampfjets mithilfe des 100-Milliarden-Pakets für die Bundeswehr angeschafft.
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges: Keine Eskalation durch nukleare Aufrüstung!
In einem Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz fordert die Ärzt*innenorganisation IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) die Bundesregierung auf, jegliche weitere Eskalation angesichts der “explosiven Situation in der Ukraine” zu vermeiden. Die Anschaffung eines neuen nuklearen Trägersystems, in Kombination mit der Stationierung neu aufgerüsteter US-Atombomben in Deutschland, wäre “ein verheerendes Signal”. Die IPPNW und andere Organisationen starten im Rahmen der Kampagne “Atombomber? Nein Danke!” eine Mailingaktion an die Bundestagsabgeordneten, in der diese aufgefordert werden, gegen den Gesetzentwurf zum Sondervermögen für die Bundeswehr zu stimmen.
Friedensnobelpreisträger fordern Ende der nuklearen Teilhabe
Vor dem Hintergrund der aktuellen Spannung zwischen Russland und der NATO ist für die Friedensnobelpreisträgerorganisationen IPPNW und ICAN die Forderung nach einem Verbot von Atomwaffen in Deutschland hochaktuell. Laut Koalitionsvertrag will sich die Bundesregierung für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen. Gleichzeitig möchte Verteidigungsministerin Lambrecht ein neues Kampfflugzug für die Bundeswehr beschaffen, das als Träger für die im Rahmen der nuklearen Teilhabe in Deutschland stationierten Atomwaffen dienen könnte; zusammen mit der geplanten Stationierung modernisierter US-Atombomben beschreibt dieses Vorhaben eine massive nukleare Aufrüstung Deutschlands.
Rundum positives Fazit von IPPNW und ICAN zur Aktionswoche 2021 in Büchel
Das Verteidigungsministerium plant, die in Büchel stationierten B-61 Atombomben zu modernisieren und neue Trägerflugzeuge von den USA zu kaufen. Allein die Anschaffung dieser 45 F18-Kampfjets würde mindestens 7,5 Milliarden Euro kosten; diese Vorhaben wären die größte nukleare Aufrüstung Deutschlands seit dem NATO-Doppelbeschluss. Der Protest 2021 von IPPNW und ICAN in Büchel richtete sich auch dagegen.
Weltweite Ausgaben für Atomwaffen steigen um 1,4 Milliarden US-Dollar
Die ICAN-Studie “Complicit: 2020 Global Nuclear Weapons Spending” listet die Ausgaben für Atomwaffen im Detail auf und benennt zudem Firmen und Konzerne, die von den Investitionen profitieren. Anhand tausender Verträge, Jahresberichte und Lobbyregister belegt die Studie, dass ein Dutzend Firmen 27,7 Milliarden US-Dollar für den Abschluss neuer Verträge bekommen haben, die in Zusammenhang mit dem Ausbau von Atomwaffen gebracht werden können. Diese Firmen hätten 117 Millionen Dollar dafür verwendet, Lobbyisten davon zu überzeugen, mehr Geld in die militärische Abwehr zu stecken; des weiteren seien 10 Millionen Dollar in die Unterstützung von “Think Tanks” rund um “politische Lösungen” zur Atomwaffenfrage geflossen.
IPPNW: Vorbereitungen zur Neustationierung von Atomwaffen in Büchel
Das neue Modell der US-Atombombe für die “nukleare Teilhabe” im Rahmen der NATO, die B61-12, soll ab 2022 nach Europa kommen. Diese neuen Atomwaffen sind lenkbar und sollen präziser treffen können. In einer Antwort im Deutschen Bundestag vom 1. März 2021 bestätigt die Bundesregierung, dass 2022 Bauarbeiten am Bundeswehr Fliegerhorst Büchel an der Start- und Landebahn beginnen und bis 2026 andauern sollen; die geplanten Kosten der Um- und Ausbaumaßnahmen betragen knapp 260 Millionen Euro.
Atomwaffenverbot in Kraft – Deutsche Finanzdienstleister profitieren trotzdem weiter von der Bombe
Am 22. Januar 2021 trat der Atomwaffenverbotsvertrag und damit ein völkerrechtlich verbindliches Verbot für diese Massenvernichtungswaffen in Kraft: Der Vertrag untersagt nicht nur die Entwicklung, das Testen, die Produktion und den Erwerb von Atomwaffen, sondern auch die Unterstützung dieser Aktivitäten. Aktuell schließen allerdings nur wenige Finanzdienstleister hierzulande Atomwaffenproduzenten kategorisch aus. Fast alle Richtlinien sind, so überhaupt vorhanden, derart vage formuliert, dass Unternehmensfinanzierungen oder Investitionen in Mischkonzerne, die Atomwaffen entwickeln, wie Airbus oder BAE Systems, weiter möglich bleiben.
Ab dem 21. Januar 2021 sind Atomwaffen völkerrechtlich geächtet
Am 24. Oktober 2020 New Yorker Zeit hat Honduras als 50. Staat den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert: Damit wird das Inkrafttreten des UN-Atomwaffenverbots binnen 90 Tagen augelöst. Mit Javier Solana und Willy Claes haben gleich zwei ehemalige NATO-Generalsekretäre in einem offenen Brief klargestellt, dass der Vertrag und das Verteidigungsbündnis durchaus kompatibel sind. Die USA hingegen drängen jene Länder, die den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert haben, ihre Unterstützung wieder zurückzuziehen.
Ärztin und Medizinstudentin wegen “Hausfriedensbruch” auf Bundeswehr-Flugplatz Büchel verurteilt
Die Ärztin Dr. Brigitte Hornstein und die Medizinstudentin Thuy Linh Pham aus Hannover hatten am 30. April 2019 gemeinsam mit fünfzehn weiteren Friedensaktivist*innen in zwei Gruppen eine Aktion Zivilen Ungehorsams auf dem Militärgelände in Büchel in der Eifel durchgeführt. Während eine Gruppe ein “atomwaffenfreies Picknick” zwischen zwei Umzäunungen veranstaltete, überwand die zweite Gruppe beide Zäune und hielt eine Mahnwache “Atomwaffenfrei jetzt!” ab. Das Amtsgericht in Cochem ahndete jetzt im Juni 2020 das Engagement der Ärztin und der Medizinstudentin gegen die auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel stationierten atomaren Massenvernichtungswaffen.
ICAN warnt vor Wiederaufnahme von Atomtests
Laut Medienberichten der Washington Post und des Guardian erwägt die US-Regierung unter Donald Trump den ersten Atomwaffentest seit 1992 durchzuführen. ICAN Deutschland befürchtet, dass die Initiativen zur Vermeidung eines neuen Kalten Krieges zum Erliegen kommen und auch die letzten noch verbliebenden internationalen Verträge zur nuklearen Abrüstung erodieren: “Für Deutschland muss das heißen, die nukleare Teilhabe sehr kritisch zu überprüfen und die aktuelle Modernisierung der atomaren Fähigkeiten der Luftwaffe auszusetzen.”
ICAN: Kramp-Karrenbauers Kauf von US-Atombombern zeugt von mangelndem politischen Anstand
Laut Medienberichten hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ihrem US-amerikanischen Kollegen Mark Esper die Beschaffung von 45 F-18-Kampfflugzeugen des US-amerikanischen Herstellers Boeing zugesichert. Die Flugzeuge sollen künftig auch als Trägersysteme für die im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO in Deutschland stationierten US-Atombomben dienen. Ein Kauf neuer nuklearer Trägersysteme wird von einer Vielzahl an zivilgesellschaftlichen Gruppen abgelehnt; auch in der Bevölkerung stößt eine solche Beschaffung auf Ablehnung.
Appell gegen die atomare Aufrüstung Europas und für die Stärkung der UN-Friedensordnung
Mit einem offenen Brief haben sich europäische Friedens- und Umweltverbände an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt, ihren politischen Einfluss gegen die nukleare Aufrüstung Europas einzusetzen. Die Bundesregierung soll die Stationierung neuer Atomwaffen untersagen, keine neuen Trägersysteme für Atomwaffen beschaffen und den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen von 2017 unterschreiben und ratifizieren. Atomwaffen sind nicht nur eine Gefahr wenn sie eingesetzt werden: Bereits der Abbau des Urans zerstört Natur und Umwelt großflächig und stellt eine massive Gefahr für dort arbeitende und lebende Menschen dar.
Abzug der Atomwaffen aus Deutschland endlich umsetzen
Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung am 26. März 2010 eindeutig aufgefordert, sich gegenüber den USA mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen. Das ist bis heute nicht geschehen, obwohl sich regelmäßig eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für den Abzug der US-Atomwaffen ausspricht. In Büchel in der Eifel sind weiterhin 20 US-Atombomben des Typs B-61 stationiert, die im Rahmen der Nuklearen Teilhabe in der NATO von deutschen Flugzeugen ins Ziel geflogen werden sollen; diese Bomben verfügen über die bis zu 13-fache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe.