Deutschland verfehlt OECD-Zielvorgabe bei Entwicklungshilfe

 

Mehr als 20 Prozent der Deutschland angerechneten Mittel für Entwicklungszusammenarbeit werden im Bereich der Flüchtlingspolitik ausgegeben. Diese Gelder stehen den Entwicklungsländern damit nicht mehr zur Verfügung. So werden zwei Politikfelder gegeneinander ausgespielt, die eigentlich aufeinander aufbauen sollten.



 
(Berlin, Bonn, 10. April 2018) Deutschland hat 2017 das Ziel verfehlt, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in Entwicklung zu investieren. Das geht aus den am 9. April 2018 veröffentlichten OECD-Zahlen zur weltweiten Entwicklungshilfe 2017 hervor. Demzufolge gibt Deutschland nur noch 0,66 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aus (das entspricht 24,68 Milliarden US-Dollar).

2016 hatte Deutschland bei den Öffentlichen Entwicklungsausgaben die internationale Zielmarke von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens erreicht – allerdings nur, weil die Bundesregierung Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland anrechnete. De facto standen diese Gelder jedoch nicht für die Entwicklung armer Länder zur Verfügung. Laut OECD-Regeln dürfen Staaten Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen im ersten Jahr auf das Öffentliche Entwicklungs-Budget anrechnen. Es steht den Regierungen jedoch frei, dies anders zu handhaben. Auch die Summe, die pro Person angerechnet wird, liegt im Ermessen der jeweiligen Staaten.

„Ein schlechtes Zeugnis für ein Land wie Deutschland, das Jahr für Jahr neue steigende Exporteinnahmen meldet“, sagt Dr. Pedro Morazán, Entwicklungsexperte beim Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene. Morazán ergänzt: „Derzeit stammen mehr als 20 Prozent der von Deutschland gezahlten Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aus dem Bereich der Flüchtlingspolitik. Das sind Gelder, die den Entwicklungsländern damit nicht mehr zur Verfügung stehen. Es werden zwei Politikfelder gegeneinander ausgespielt, die eigentlich aufeinander aufbauen sollten ‑ ein Armutszeugnis für ein wirtschaftlich expandierendes Land wie Deutschland!“

Dr. Pedro Morazán ist Mitglied im Team bei SÜDWIND.

Ein weiteres Problem ist, dass immer mehr Gelder der Entwicklungszusammenarbeit in Form von Krediten vergeben werden. „Einige OECD-Länder wickeln mehr als 25 Prozent ihrer Entwicklungszusammenarbeit als Kredite und nicht als Zuschüsse ab“, meint Irene Knoke, Entwicklungsexpertin bei Südwind. „Schon heute hat sich die Verschuldung vieler Länder wieder deutlich verschlimmert. Wenn dann auch noch immer mehr Kredite in der Entwicklungszusammenarbeit vergeben werden, wird das nicht zur Entspannung der Situation beitragen.“

Tobias Hauschild, Oxfam-Experte für Entwicklungsfinanzierung, kommentiert: „Die Bundesregierung sollte nicht länger Ausgaben für nach Deutschland geflüchtete Menschen auf die Entwicklungshilfe anrechnen.“ Er stellt klar: „Es ist wichtig, dass die Bundesregierung Geflüchtete in Deutschland umfassend unterstützt und ihre Integration fördert. Sie muss aber auch ihren internationalen Verpflichtungen beim Kampf gegen Armut in Entwicklungsländer gerecht werden. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen Mittel für Entwicklungshilfe reichen hierfür bei weitem nicht aus. Um die 0,7-Prozent-Marke zu erreichen, muss die jährliche Entwicklungshilfe um mindestens sechs Milliarden Euro steigen. Eine Quelle könnten die Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer sein.“

Tobias Hauschild ist Experte für Steuergerechtigkeit bei oxfam Deutschland.