EU-Migrationspolitik stellt in Nordafrika politische Interessen über den Schutz von Menschenrechten

 

Neuer Oxfam-Bericht analysiert Zusammenarbeit zwischen Europa und Nordafrika beim Grenzschutz

Der Bericht „A Real and Common Interest“ zeigt auf, wie die EU die Kontrolle ihrer Außengrenzen in nordafrikanische Länder ausgelagert hat. Den Preis dafür zahlen Flüchtlinge und andere Migrant*innen. Länder wie Marokko und Tunesien tragen zwar selbst die Verantwortung für ihre veralteten Migrations- und Asylsysteme; die Europäische Union gibt mit ihrer Migrationspolitik allerdings wenig Anreiz für Reformen, stattdessen basiert ihre Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern auf dem gemeinsamen Interesse an verstärktem Grenzschutz – zu Lasten des Menschenrechtsschutzes.



 

(Berlin, 22. Oktober 2020) Die Europäische Union stellt in ihrer Migrationspolitik in Nordafrika politische Interessen über den Schutz von Menschenrechten. Das zeigt ein neuer Bericht, den die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam heute veröffentlicht. Oxfam fordert die EU auf, in ihrer Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Ländern den Schutz von Menschen in Not stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Der Bericht „A Real and Common Interest“ zeigt auf, wie die EU die Kontrolle ihrer Außengrenzen in nordafrikanische Länder ausgelagert hat. Den Preis dafür zahlen Flüchtlinge und andere Migrant*innen. Oxfams Analyse zeigt, dass diese Politik wesentlich dazu beigetragen hat, die Schutzstandards für Asylsuchende in nordafrikanischen Ländern zu senken. Dadurch hat sich die alltägliche Unsicherheit und Diskriminierung von Migrant*innen weiter verstärkt.

„Die Zahl der Menschen, die versuchen, Europa über das Mittelmeer zu erreichen, mag zurückgegangen sein. Dafür hat das Leid von Migranten und Migrantinnen in Nordafrika zugenommen,“ sagt Raphael Shilhav, Oxfam-Experte für EU-Migrationspolitik. „Der einseitige Fokus der EU auf Migrationskontrolle hat für Migranten und Migrantinnen in Nordafrika ein feindseliges Umfeld geschaffen, das repressive Politik und systematische Menschenrechtsverletzungen befördert.“

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Länder wie Marokko und Tunesien zwar die Verantwortung für ihre veralteten Migrations- und Asylsysteme tragen. Er stellt daneben auch heraus, dass die Europäische Union mit ihrer Migrationspolitik wenig Anreize für Reformen gibt. Stattdessen basiert die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit den nordafrikanischen Ländern auf dem gemeinsamen Interesse an verstärktem Grenzschutz, zu Lasten des Menschenrechtsschutzes.

Kurswechsel in der Migrationspolitik überfällig

„Europa und Nordafrika müssen beim Thema Migration und dem Schutz von Menschenrechten grundlegend umdenken,“ so Shilhav. „Die Europäische Union hat die Menschenrechtslage in den Ländern, mit denen sie im Bereich Grenzschutz und Migrationsmanagement zusammenarbeitet, lange Zeit praktisch ignoriert. Gerade jetzt, wo sich die Auswirkungen der globalen Pandemie auf besonders schutzbedürftige Menschen zeigen, wird es dringend Zeit für eine andere Zusammenarbeit zwischen Europa und Nordafrika.“

Oxfam fordert die Europäische Union auf, die Unterstützung von Entwicklungsländern nicht von der Kooperation beim Grenzschutz abhängig zu machen. Beim geplanten neuen Asyl- und Migrationspakt sowie bei der Ausgestaltung des Finanzrahmens für die kommenden Jahre muss die EU einen Kurswechsel vornehmen und den Schutz von Menschenrechten stärker in den Mittelpunkt ihrer Migrationspolitik stellen.

Raphael Shilhav ist Experte für EU-Migrationspolitik bei OXFAM.
Der Bericht „A Real and Common Interest“ steht in englischer Sprache über diesen Link zum Download als PDF bereit.