Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR, zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar 2020

 

Wenn wir erkennen, dass nachholende Entwicklung oder Sozialpolitik als Verteilung von Wirtschaftswachstum nicht mehr ausreichen, dann muss soziale Gerechtigkeit neu ausbuchstabiert werden, brauchen wir modernere Konzepte auch im Lichte der ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Wir benötigen den Mut, neue Antworten für neue Herausforderungen zu suchen. Dafür ist eine wache und zum Dialog fähige Zivilgesellschaft von höchster Bedeutung.



 

(Aachen, 19. Februar 2020) Zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit 2020 äußert sich Pirmin Spiegel: „Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für das Jahr 2030 fordern die Weltgemeinschaft dazu auf, „niemanden zurückzulassen“. Am Welttag der sozialen Gerechtigkeit muss festgestellt werden, dass dieses Ziel in weiter Ferne bleibt. Obwohl die Ungleichheit gemessen am Pro-Kopf-Einkommen in den vergangenen Jahrzehnten global gesehen abgenommen hat, geht die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb vieler Länder immer noch weit auseinander. Zu viele Menschen werden vom Wohlstand abgehängt. Dieser Missstand ist vielfach die Folge einer verfehlten Politik, etwa wenn Arbeitsplätze unsicher bleiben, Menschen nur Jobs im Niedriglohnsektor finden, ganze Regionen oder Bevölkerungsgruppen vernachlässigt werden.

Wenn wir erkennen, dass nachholende Entwicklung oder Sozialpolitik als Verteilung von Wirtschaftswachstum nicht mehr ausreichen, dann muss soziale Gerechtigkeit neu ausbuchstabiert werden, brauchen wir modernere Konzepte auch im Lichte der ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Wir benötigen den Mut, neue Antworten für neue Herausforderungen zu suchen. Dafür ist eine wache und zum Dialog fähige Zivilgesellschaft von höchster Bedeutung.

Soziale Gerechtigkeit ist auch deswegen ein zentraler Faktor für die Entwicklungszusammenarbeit, weil sie die Klammer ist, um Armutsbekämpfung und sozial-ökologische Transformation zusammenzuführen. Das eine darf nicht gegen das andere ausgespielt werden. Wenn wir Rohstoffe abbauen für Elektromobilität, darf das nicht auf anderen Kontinenten zu Vertreibung von Menschen und zur Ausbeutung und Zerstörung von Lebensräumen führen. Wenn wir hierzulande die Kohleverstromung beenden, die Landwirtschaft umbauen und dadurch Strom oder Lebensmittel teurer werden, dürfen in der Folge die ärmeren Bevölkerungsgruppen nicht zu Benachteiligten der Umgestaltung werden. Gerade sie sind durch entsprechende politische Maßnahmen zu unterstützen.

Pirmin Spiegel ist Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerkes MISEREOR.

Für mich ist eines klar: Der sozial-ökologische Umbau kann nur in einer gerechten Gesellschaft erfolgreich vollzogen werden. Die UN-Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, ist in diesem Sinne ein anspruchsvoller, aber auch notwendiger Ansatz.“

Als Werk für Entwicklungszusammenarbeit der katholischen Kirche kämpft MISEREOR für Gerechtigkeit und Bildung, gegen Hunger, Krankheit, Ausgrenzung und Menschenrechtsverletzungen sowie deren Ursachen. Gemeinsam mit einheimischen Partnern unterstützt MISEREOR Menschen unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Kultur und ihrer Hautfarbe. Seit der Gründung von MISEREOR im Jahr 1958 wurden über 110.000 Projekte in Afrika und dem Nahen Osten, in Asien und Ozeanien, in Lateinamerika und der Karibik gefördert. MISEREOR ist Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft: www.entwicklung-hilft.de.