Vergeudete Talente: Migrantinnen in Deutschland und berufliche Integration

 

Gerade Migrantinnen arbeiten häufiger in prekären, unsicheren Arbeitsverhältnissen. Dazu trägt auch das „Putzfrauen“-Vorurteil in vielen Köpfen bei, womit die reduzierte Wahrnehmung von Migrantinnen als gering qualifizierte Personen gemeint ist. Integrationsmaßnahmen müssten noch stärker an den Bedürfnissen von Frauen ausgerichtet werden und der Schutz vor prekären Arbeitsbedingungen erhöht werden, so die SÜDWIND-Studie „Vergeudete Talente. Migrantinnen in Deutschland und berufliche Integration“.



 

(Bonn, 2. Dezember 2019) „Ich hatte große Schwierigkeiten mit der Anerkennung meines Diploms, das war sehr hart am Anfang …“. Was eine junge Senegalesin im Interview mit SÜDWIND vor einigen Jahren beschrieb, ist Alltag für viele Migrantinnen aus Nicht-EU-Ländern: Unabhängig davon, ob sie als Erwerbsmigrantin, Familienangehörige oder Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind, trifft sie ein erhöhtes Risiko für brain waste oder „De-Qualifikation“. Damit ist eine Beschäftigung unterhalb der Qualifikation gemeint, über die die Migrantin verfügt. De-Qualifikation führt zu geringeren Einkommen und Vergeudung von Talenten.

„Wenn Bauingenieurinnen als Verkäuferinnen oder Taxifahrerinnen arbeiten, klingt das erst einmal undramatisch“, so Dr. Sabine Ferenschild, SÜDWIND-Mitarbeiterin und Autorin der Studie „Vergeudete Talente. Migrantinnen in Deutschland und berufliche Integration“. „Konkret bedeutet das aber, dass die Frauen niedrigere Löhne haben als in Berufen, für die sie qualifiziert wären. Gerade Migrantinnen arbeiten auch häufiger in prekären, unsicheren Arbeitsverhältnissen.“ Unter allen Migrantinnen mit berufsqualifizierendem Bildungsabschluss arbeiten mehr als 16 von 100 lediglich in Hilfstätigkeiten (zum Vergleich: Unter der männlichen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund liegt die Relation bei weniger als 3 von 100).

In der Studie „Vergeudete Talente. Migrantinnen in Deutschland und berufliche Integration“ geht SÜDWIND der Frage nach, ob und in welcher Weise Migrantinnen aus Nicht-EU-Staaten von dieser Talentvergeudung betroffen sind. Dabei scheinen familiäre Verpflichtungen, insbesondere die Betreuung von Kindern, sozusagen das „einigende Band“ zu sein, das Migrantinnen unabhängig von ihrem Einreisegrund und unabhängig von ihrer individuellen Qualifikation in ihrer beruflichen Qualifikation behindert. Dazu trägt das „Putzfrauen“-Vorurteil in vielen Köpfen bei, womit die reduzierte Wahrnehmung von Migrantinnen als gering qualifizierte Personen gemeint ist.

Viel wurde in den letzten Jahren im Bereich von Integrationsmaßnahmen bereits getan. Doch müssten diese noch stärker an den Bedürfnissen von Frauen ausgerichtet werden und der Schutz vor prekären Arbeitsbedingungen erhöht werden – so das Fazit der Studie.

Dr. Sabine Ferenschild ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene.