Kaum Aussicht auf Asyl für unbegleitete Kinder in Griechenland

 

Die Situation unbegleiteter Kinder auf der Flucht entspricht in Griechenland nicht der in vielen anderen Staaten der EU, wo fast die Hälfte der Mitgliedstaaten unbegleiteten Kindern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die ihrem Kindeswohl dient. In Griechenland können unbegleitete Kinder ohne gültige Papiere, deren Asylantrag abgelehnt wurde, zwar aus humanitären Gründen das Recht auf Aufenthalt beantragen, jedoch führen eine Vielzahl rechtlicher Hürden dazu, dass Hunderte von ihnen inoffiziell im Land leben. Diese minderjährigen Antragsteller*innen bleiben ohne Perspektive zurück und sind ohne gültige Papiere hohen Risiken von Missbrauch und Ausbeutung ausgesetzt.

(Berlin/Athen, 27. Juli 2023) Unbegleitete minderjährige Geflüchtete haben in Griechenland nur wenig Aussicht auf Asyl. Nach einem neuen Bericht von Save the Children und dem Griechischen Flüchtlingsrat haben weniger als ein Drittel der Asylanträge von Kindern und Jugendlichen Erfolg. Die übrigen minderjährigen Antragsteller*innen bleiben ohne Perspektive zurück. Ohne gültige Papiere sind sie zudem hohen Risiken von Missbrauch und Ausbeutung ausgesetzt.

Laut dem Report „Without Papers, There is No Life“ wurden in Griechenland im Jahr 2022 nur 981 von 3175 Asylanträgen von unbegleiteten Kindern bewilligt. Die übrigen Anträge wurden entweder abgelehnt oder befinden sich in einem langwierigen Asylverfahren. Diese Zahlen lassen darauf schließen, dass vielen unbegleiteten Kindern das Recht auf Schutz verweigert wird und sie ohne die für ihren legalen Verbleib im Land erforderlichen Dokumente zurückgelassen werden.

Der Bericht basiert auf einer Analyse des griechischen Asylsystems sowie ausführlichen Interviews mit einigen unbegleiteten Kindern und Jugendlichen. Er beschreibt die juristischen Hindernisse, die Kinder bei der Erlangung von Dokumenten erfahren und die Auswirkungen dieser Schwierigkeiten auf ihr Leben. Unbegleitete Kinder ohne gültige Papiere, deren Asylantrag abgelehnt wurde, können aus humanitären Gründen das Recht auf Aufenthalt in Griechenland beantragen. Jedoch führen eine Vielzahl rechtlicher Hürden, darunter unrealistische Anforderungen und der Mangel an kostenlosem, altersgerechtem Rechtsbeistand dazu, dass Hunderte von ihnen inoffiziell in Griechenland leben.

„Für die Kinder ist das Scheitern ihres Asylantrags nicht nur eine Formalie. Es bedeutet, dass diese jungen Menschen in Unsicherheit und Angst leben, dass sie der Gefahr von Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt sind – und dass sie keine Perspektive haben. Unbegleitete Kinder sind darauf angewiesen, dass der griechische Rechtsrahmen ihnen Schutz und Sicherheit bietet. Die Regierung muss sicherstellen, dass alle diese Kinder eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten“, fordert Daniel Gorevan, Senior Advocacy Advisor bei Save the Children.

Die Situation in Griechenland entspricht nicht der in vielen Staaten der EU, wo fast die Hälfte der Mitgliedstaaten unbegleiteten Kindern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die ihrem Kindeswohl dient. In Deutschland zum Beispiel lag die Schutzquote von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus den zehn Haupt-Herkunftsländern im Jahr 2022 bei 91,7 Prozent. Jedoch erschweren bürokratische Hürden einigen geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Deutschland die Aussichten auf eine Ausbildung und einen Arbeitsplatz. Diese Hürden müssen abgebaut werden, um Geflüchteten Zukunftsperspektiven zu geben, fordert Save the Children.

„Die Alarmzeichen stehen auf Rot, doch Europa und Deutschland schweigen und lassen unbegleitete Kinder in dieser unwürdigen Situation im Stich“, sagt Marvin Mc Neil, Advocacy Manager für Flucht und Migration bei Save the Children Deutschland. „Diese Kinder beschreiben Unterkünfte wie die in Griechenland zu Recht als Gefängnis – das muss uns großen Anlass zur Sorge geben. Die Bundesregierung muss endlich politisch handeln, um Kinder in dieser Zwangslage im Rahmen eines fairen Verteilungsmechanismus in Deutschland aufzunehmen.“

Kinder ohne Papiere leben in Griechenland in einer prekären Situation. Viele trauen sich nicht, ihre Unterkunft zu verlassen, weil sie ins Visier der Behörden geraten könnten, während unbegleitete Kinder, die als Erwachsene registriert sind, besonderen Risiken ausgesetzt sind, wie der Inhaftierung oder Abschiebung. Die Situation wird dadurch verschärft, dass nach griechischem Recht Asylbewerber*innen, die durch ein „sicheres Drittland“ gereist sind, dorthin zurückgeschickt werden können und sich viele Kinder daher gezwungen fühlen, ihre gefährliche Reise in andere EU-Länder fortzusetzen. Da sie keine Papiere haben, sind viele von ihnen Risiken wie Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung durch Menschenschmuggler ausgesetzt.

Florian Westphal ist Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender von Save the Children Deutschland. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig.

Der Bericht „Without Papers, There is No Life“ von Save the Children und dem Griechischen Flüchtlingsrat steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.