Credit Suisse: Fusion vergrößert Probleme, Risiken werden sozialisiert
Laut dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac und der Bürgerbewegung Finanzwende verschärft der am 19. März 2023 bekanntgegebene Zusammenschluss von UBS und Credit Suisse das Too-Big-To-Fail-Problem. Das Scheitern der Credit Suisse sei ein Weckruf, endlich wichtige Finanzmarktreformen durchzusetzen: „Wir brauchen viel höhere Kapitalpuffer bei Banken, eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit deutlich mehr Befugnissen und eine Trennung von Geschäftsbanken und Investment Banking, damit wir nicht ständig in diese Notsituationen geraten. Die verantwortlichen Politiker haben es verpasst, die Lehren aus der Finanzkrise ab 2007/2008 zu ziehen.“

(Frankfurt am Main/Berlin, 20. März 2023) Der am 19. März 2023 bekannt gegebene Notverkauf der Credit Suisse an die Schweizer UBS zeigt für das globalisierungskritische Netzwerk Attac einmal mehr, dass die Regierungen das globale Finanzcasino nach der Finanzkrise 2008 völlig unzureichend reguliert haben. Weiterhin bedrohen systemrelevante Banken („too big to fail“) das gesamte globale Finanzsystem und müssen – wie im aktuellen Fall – mit staatlichen Garantien aufgefangen werden. „Mit der aktuellen Fusion der Credit Suisse mit der UBS entsteht eine Mega-Bank, die eine noch größere Bedrohung für das Finanzsystem darstellt. Das Problem wird damit nicht gelöst, sondern nur verlagert. Während die meisten Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze bangen, wandern künftige Profite und Boni nun wieder an die Aktionär*innen und Manager*innen. Kommt es bei der neuen Megabank hingegen wieder zu Problemen, übernimmt die öffentliche Hand alle Risiken“, stellt Alfred Eibl vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest.
Nichts gelernt aus Finanzkrise 2008?
Attac zufolge ist das grundsätzliche Problem die nach wie vor zu niedrige Eigenkapitalbasis der Banken. „Dieses Problem sei – allen anderslautenden Versicherungen zum Trotz – auch nach der Finanzkrise 2008 nicht gelöst worden“, sagt Karl-Martin Hentschel von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe „Steuern und Finanzmärkte“. „Insbesondere die Tatsache, dass die Bankenstabilität nicht am eigentlichen Eigenkapital gemessen wird, sondern dass die Kredit- und Wertpapierportfolios der Banken risikobewertet werden und damit mit verringerten Beträgen in die Betrachtung eingehen, ist ein Fehler. Wie sich gerade zeigt, werden eben auch stabile Staatsanleihen zu Risikopapieren, wenn sich die Zinssätze drastisch ändern.“
Attac fordert 20 Prozent Eigenkapitalbasis und Finanztransaktionssteuer
Zu vermeiden wären diese Probleme insbesondere durch zwei zentrale Punkte aus dem Forderungskatalog von Attac: die drastische Anhebung der Eigenkapitalbasis auf mindestens 20 Prozent sowie die Einführung einer echten Finanztransaktionssteuer, um die Finanzmärkte zu bändigen und die Finanzbranche an der Finanzierung der Rettungsaktionen zu beteiligen. Attac kritisiert zudem, dass weiterhin keine Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken und kein Verbot riskanter Finanzprodukte und Geschäftspraktiken existiert. Schattenbanken sind kaum reguliert.
Bürgerbewegung Finanzwende: Zusammenschluss von UBS und Credit Suisse: Verschärft Too-Big-To-Fail-Problem
Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, kommentiert den Zusammenschluss von Credit Suisse und UBS: „Diese Rettung schafft neue Probleme. 2008 hat uns eigentlich gelehrt, dass wir keine zu großen Banken haben sollten. Mit dieser Fusion zweier Banken, die schon zuvor systemrelevant waren, erhalten wir einen noch größeren Akteur, der erst recht nicht pleitegehen darf. Diese Lösung ist nicht nachhaltig und verschärft das Too-Big-To-Fail-Problem nur noch.
Die Schweizer Politik und Aufsichtsbehörden verweisen als Ursache für die Schieflage der Credit Suisse auf die Bankenprobleme in den USA. Damit wollen sie ablenken von ihrem eigenen Versagen: Sie haben zugesehen, wie die Credit Suisse von Skandal zu Skandal schlitterte und immer mehr Kunden verlor. Spätestens im Herbst 2022 hätten sie durchgreifen müssen. Für die Kuschelpolitik mit den Banken, bei der noch nicht einmal Bußgelder verhängt werden können, zahlen nun die Schweizer Steuerzahler.
Die Wochenend-Not-Fusion zeigt, wie instabil die Finanzmärkte sind. Der Druck der Märkte war so groß, dass man sich zu diesem Schritt genötigt sah. Zugleich war der Glaube daran, dass es eine geordnete Abwicklung geben kann, offenbar zu gering. Die Bankentestamente, die eigentlich für den Fall einer Schieflage einen Fahrplan vorsehen, wurden offenbar nicht genutzt.
Das Scheitern der Credit Suisse ist ein Weckruf, endlich wichtige Finanzmarktreformen durchzusetzen. Wir brauchen viel höhere Kapitalpuffer bei Banken, eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit deutlich mehr Befugnissen und eine Trennung von Geschäftsbanken und Investment Banking, damit wir nicht ständig in diese Notsituationen geraten. Die verantwortlichen Politiker haben es verpasst, die Lehren aus der Finanzkrise ab 2007/2008 zu ziehen. 15 Jahre später muss endlich was passieren.
Das gilt auch und gerade für die verantwortlichen Politiker in Deutschland. Wir müssen aufhören, uns einzureden, dass die Vorgänge in den USA und der Schweiz hierzulande undenkbar wären – das stimmt einfach nicht. Wir brauchen konkrete politische Maßnahmen statt vager Beschwichtigungen.”
Fast 10.000 Menschen haben schon eine kürzlich gestartete Finanzwende-Unterschriftenaktion mit Forderungen für ein stabileres Finanzsystem unterzeichnet
Die Bürgerbewegung setzt sich in der Petition unter anderem für eine Vollendung der europäischen Bankenunion ein. Dazu gehöre vor allem die Schaffung einer europäischen Einlagensicherungsbehörde im Stil der amerikanischen FDIC. Gleichzeitig solle die Bankenregulierung deutlich verschärft werden, sagte Gerhard Schick. „Banken agieren immer noch mit viel zu viel Schulden und drehen dadurch ein viel zu großes Rad. Damit muss endlich Schluss sein, Banken brauchen Kapitalpuffer von mindestens zehn Prozent der Bilanzsumme.”
Adressat der Finanzwende-Petition ist der Bundesfinanzminister. „Christian Lindner ist dafür zuständig, die jahrelangen Versäumnisse der Politik nachzuholen”, sagte Schick. Stattdessen sei der Finanzminister in Brüssel zuletzt eher als Lobbyist deutscher Banken aufgetreten. Das sei die falsche Politik zur falschen Zeit. Wenn schon die Pleite einer mittelgroßen US-Bank für derart große Verwerfungen sorgen könne, zeige das eindrücklich, wie krisenanfällig die Finanzmärkte seien. „Wir brauchen einen Neustart der Bankenregulierung, um endlich für Stabilität zu sorgen.”

Karl-Martin Hentschel ist Mitglied in der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe „Steuern und Finanzmärkte“.


Gerhard Schick ist Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende.
