Brüsseler US-Botschafter kündigt die nächste Gas-Unterbrechung für Mitte Januar 2020 an

 

Zu Sowjetzeiten wurde Gas in einer einzigen Pipeline nach Europa geleitet, durch die Ukraine hindurch – dort gabelt es sich in einen südlichen und in ein nördlichen Strang. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Russland eine Diversifizierungsstrategie hinsichtlich der Leitungen gestartet. Doch heute ist es immer noch so: Ohne Nutzungsmöglichkeit des ukrainischen Systems (UGTS) hat ein Großteil von EU-Europa, sofern das im Winter geschieht, alsbald die Heizungen abzustellen. Das beginnt nach wenigen Tagen in Südosteuropa, zwei Wochen später sind auch Deutschland und Mitteleuropa dran.

Diese Situation ist bestens bekannt. Im Winter 2008/09 konnten die Ukraine und Russland, damals noch befreundet, sich nicht rechtzeitig auf neue Bedingungen des auslaufenden Vertrags zur Nutzung des UGTS einigen. Die Folge: Unterbrechung der Durchleitung nach Europa. Erst dann, im Januar 2009, wurde ein neuer Vertrag mit elf Jahren Laufzeit geschlossen. Ende 2019 läuft der aus. Wenn die Ukraine und Russland, nun verfeindet, nicht mehr befreundet, sich nicht rechtzeitig einigen, so wird sich das aus dem Winter 2008/09 vertraute Szenario wiederholen.

Diese Situation wird bislang in westlichen sicherheitspolitischen Kreisen, und ihnen folgend den westlichen Medien, als quantité negligiable behandelt. Diese Kreise laufen vielmehr unverdrossen einer geopolitischen Fata Morgana nach. Demnach werde Russland mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 auf die Nutzung des UGTS nicht mehr angewiesen sein. Russland strebe dies an, um dann

„die Landbrücke zwischen der Krim und dem russischen Festland zu erobern und seine militärischen Aktivitäten an den Südhäfen der Ukraine weiter auszubauen. Die Ukraine hätte keine Möglichkeiten mehr, Druck auf Russland auszuüben.“

Der führende Außenpolitiker der „Zeit“, Herausgeber Jost Joffe, formulierte kürzlich gar – ironisch –

„„Nord Stream hat den Vorteil, dass es Polen wie die Ukraine umgeht, ihnen also die Macht nimmt, den Hahn nach Westeuropa zuzudrehen …“

Auf diesen Gedanken muss man erst einmal verfallen: Es solle im Interesse Deutschlands und anderer europäischer Staaten sein, den „Frontstaaten“ Polen und Ukraine die Option zu überlassen, dass Europa die Gaszuführung gesperrt wird, sie selbst zu Geiseln werden. Nicht Russland ist in dieser Fata Morgana der potentielle Täter.

In diese verquere Gedankenwelt von einigen unserer gepolitischen Meisterdenker hat der Botschafter der USA bei der EU, Gordon Sondland, hineingegrätscht. Mit seinem Statement vom 11. April 2019 hat er die alte Freund-Feind-Ordnung wiederhergestellt. Seine Aussage zu Nord Stream 2 und der Situation bei Scheitern der Neuaushandlung des Transit-Vertrags per Ende 2019 lautet:

„we don’t want to have to show up in the middle of January when Russia cuts off gas.“

Also: Die Aussicht auf eine Gasversorgungskrise nach dem Vorbild der von Januar 2009 ist real. Und schon jetzt ist klar: Russland ist dafür verantwortlich zu machen. Die Schuld für die noch nicht eingetretene Krise kann man bereits jetzt zuweisen. Das sollte man sich merken, wenn die Unterbrechung der Gaslieferungen Mitte Januar 2020 eingetreten sein wird.